Der Begriff der Intersektionalität kommt aus dem Englischen: Mit der Metapher einer Straßenkreuzung ("Intersection"), an der Verkehr aus allen vier Richtungen kommt, soll deutlich werden, dass die verschiedenen Diversity-Dimensionen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Vielmehr überschneiden sie sich in der Realität oft. Das bedeutet: Jeder Mensch hat mehrere Identitäten - sei es die nationale oder soziale Herkunft, das Geschlecht, die sexuelle Orientierung, das Alter, die Religion oder die psychische und physische Verfassung.
Ungleichbehandlung kann somit an einem Merkmal anknüpfen und stattfinden. Gleichzeitig kann eine Person in verschiedenen Konstellationen aber auch anhand mehrerer Identitätsmerkmale Benachteiligung erfahren. Damit verändert sich ihre Diskriminierungserfahrung. Neue Diskriminierungsdimensionen entstehen.
An der Kreuzung der Dimensionen entstehen unterschiedliche Erfahrungen
Diese wichtige Analyse hat ihren Ursprung in den politischen Bewegungen Schwarzer Frauen und lesbischer Frauen. Schon in den politischen Bewegungen der 60er Jahre wiesen sie darauf hin, dass ihre Erfahrungen in der Vielfaltsgesellschaft nicht verallgemeinert werden können. Diskriminierung kann demnach sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem welcher ethnischen Herkunft oder sexuellen Orientierung sich die Frauen zuordnen. Vor dem Hintergrund rassistischer oder homophober Ausgrenzung würde hier die Rede von einer gemeinsam erfahrenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu kurz greifen. Der Begriff der Intersektionalität unterstreicht also den Aspekt der Mehrfachdiskriminierung.
Treffen die verschiedenen Identitätsmerkmale an der imaginären Kreuzung zusammen, können sie sich aber nicht nur wechselseitig verstärken, sondern können sich auch gegenseitig abschwächen oder insgesamt beeinflussen. So kann es auch vorkommen, dass sich die verschiedenen Merkmale von Vielfalt sogar gegenseitig bedingen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die finanzielle Situation: Schwarze Personen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung sind beispielsweise häufiger von Armut betroffen als der Rest der Gesellschaft, weil sich innere und äußere Diversity-Dimensionen gegenseitig beeinflussen können.
Ganzheitlich denken und gesellschaftliche Strukturen überprüfen
Der intersektionale Ansatz ermahnt uns also, genauer hinzuschauen und Prozesse, Strukturen oder gar ganze Systeme zu hinterfragen. Wo gibt es strukturelle Barrieren? Auf welchen Augen sind wir blind? Und wie können wir Ausgrenzung vermeiden? Um in der Vielfaltsgesellschaft die gleichberechtigte Teilhabe und den wertschätzenden Umgang aller Personen zu gewährleisen, reicht es also nicht immer nur aus alle Diversity-Dimensionen gleichermaßen in den Fokus zu nehmen. Achtsam auf jeweilige Abhängigkeiten zu schauen und jede Person individuell zu betrachten - das ist ein wichtiger und richtiger Weg hin zur Stärkung der Vielfaltsgesellschaft.