Wenn vom ganzheitlichen Ansatz die Rede ist, dann meint das: Alle Diversity-Dimensionen erfahren bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt gleichermaßen Aufmerksamkeit. Keine Dimension ist dabei wichtiger als die andere. Es geht also nicht nur um Gleichbehandlung innerhalb eines bestimmten Bereiches, sondern darum alle in den Blick zu nehmen, achtsam auf Wechselwirkungen zwischen den Dimensionen zu achten und das Individuum mit all seinen Potenzialen und Fähigkeiten in den Mittelpunkt zu stellen.
Leichter gesagt als getan?
Leicht umzusetzen ist das nicht immer. Entsprechend der Vielfältigkeit der Menschen gibt es auch vielfältige Ansätze und Instrumente. Dass manche Dimensionen häufiger im Fokus stehen und in den Köpfen vieler präsenter sind, hat oftmals einen ganz banalen Grund: Es gibt in diesen Bereichen einfach mehr erprobte Instrumente und konkrete Umsetzungsbeispiele oder auch stärkere staatliche Fördermöglichkeiten. Ein Beispiel hierfür ist der Bereich Frauenförderung (Gender Mainstreaming) oder der Aspekt Familienfreundlichkeit. Auch mit Maßnahmen zur Stärkung der interkulturellen Kommunikation und damit mit der Dimension Herkunft sind viele vertrauter als vielleicht mit konkreten Maßnahmen für die Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Es mag zunächst einfacher erscheinen, sich auf eine oder zwei Dimensionen zu konzentrieren und gezielt Aktivitäten umzusetzen. Doch der ausschließliche Blick auf einzelne Dimensionen birgt Gefahren. Wer nur ein Merkmal berücksichtigt oder ungleichgewichtig verschiedene Vielfaltsdimensionen aneinanderreiht, übersieht mögliche Wechselwirkung zwischen den einzelnen Dimensionen, z.B. zwischen Geschlecht, ethnischem Hintergrund und Einkommen, und fördert das Schubladendenken. Was ist damit gemeint?
Eine Versicherung gegen Schubladendenken
Bleiben wir beim Beispiel "Familienfreundlichkeit": Laufen diese Aktivitäten unter dem Dach der Frauenförderung und richten sich womöglich gleichzeitig nur an Frauen, inbesondere berufstätige Mütter, kann es passieren, dass durch diesen engen Fokus, Menschen Außen vor und deren Bedürfnisse unerkannt bleiben, die gleichwohl von den Maßnahmen profitieren könnten. Vielfalt wird zu kurz gedacht. So sind auch Männer Eltern. Und so vielfältig wie die Menschen selbst gibt es auch zahlreiche verschiedene Lebens- und Familienmodelle. Zu guter Letzt könnten sich kinderlose Frauen von solch einer Art der Frauenförderung gar nicht angesprochen oder gesehen fühlen. Gerade letzteres zeigt: eine eindimensionale Betrachtungsweise birgt die Gefahr, spezifische Merkmale für bestimmte Gruppen festzuschreiben und quasi stereotyp zuzuweisen, unabhängig davon, ob sie auf einzelne Individuen mit der gleichen Diversitätsdimension zutreffen oder nicht.
Mit Diversity-Arbeit wertschätzende Umfelder schaffen und Ungleichheit abbauen
Die ganzheitliche Einbindung aller Diversity-Dimensionen in die gesamte Organisationsstrategie ist daher die fundamentale Aufgabe des Diversity Managements. Gelingt dies, können wertschätzende Umfelder entstehen, Vorurteile abgebaut und alle Potenziale sichtbar werden. Diversity-Arbeit bedeutet also auch, das Umfeld kritisch zu betrachten und sich zu fragen: Wie funktioniert eigentlich unser Miteinander? Wird allen mit Anerkennung und Respekt begegnet? Und können sich alle gleichermaßen mit ihren Potenzialen und Fähigkeiten einbringen?
Eine Ecke weitergedacht: die intersektionale Perspektive
Um noch weiter zu verstehen, wie Ungleichheiten entstehen, ist neben dem ganzheitlichen Ansatz der Diversity-Dimensionen aber noch eine weitere Perspektive wichtig: Kein Mensch lässt sich mit nur einer einzigen Kategorie beschreiben. Vielmehr sind wir in unserer Persönlichkeit von verschiedenen Identitätsmerkmalen geprägt. Dabei kann es sein, dass sich mehrere Diversity-Dimensionen verschränken und so ungleiche Machtverhältnisse verstärkt werden. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen „Intersektionalität“ genannt.